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Zweimal Minna Wagner, aber nur einmal Richards Ehefrau

Liebe Minna Wagner- und Foto-Freundinnen,

die Wahl fällt durchaus nicht schwer. Wer sich für die Richtigen entscheiden will, sollte spätestens jetzt ein paar aus seinem Sortiment streichen.

Doch der Reihe nach: Seit etlichen Jahren wird immer wieder in der Wagner-Literatur (ich meine u.a. die Biographien von Sibylle Zehle und Eva Rieger) das Fotoporträt einer neckisch positionierten jungen Frau publiziert, das in der Regel mit der Unterschrift „Minna Wagner, 1835“ versehen wird. Es findet sich auch in der vor einigen Wochen erschienen Sammlung der Briefe von Minna Wagner und ihrer Schwägerin Cäcilie. Nach kürzerem Nachdenken fielen mir nun zwei Dinge auf: 1. kann dieses Foto nicht 1835 oder um 1835 geschossen worden sein, weil Monsieur Daguerre das Patent zu dieser bahnbrechenden Technik erst 1839 veröffentlicht hat – erst in den 40er Jahren konnte man, da die Belichtungszeiten nun nicht mehr stundenlang dauerten, auch Porträts aufnehmen. Da das Foto jener „Minna Wagner“ aber eine junge Frau zeigt, kann es sich nicht um Wagners Gattin handeln, und dies umso weniger, als es augenscheinlich wirklich eine Schauspielerin (oder Sängerin; genau weiß man das zunächst nicht, weil es sich ja um eine Bild- und nicht um eine Tonreproduktion handelt) zeigt und Minna Wagner in den 40er Jahren als Frau ihres Mannes, nicht mehr als Bühnentier agierte. Kommt hinzu, dass die Dame auf dem Foto sicher unter 30 Jahre jung ist. Und es fällt auf, dass eine physiognomische Ähnlichkeit zwischen den verschiedenen Minna-Wagner-Fotos schlichtweg nicht zu erkennen ist. Um wen handelt es sich also bei der jungen Frau?

Um Minna Wagner.

Kein Witz: Minna Wagner war – wie die als Minna Planer geborene Frau Wagner – eine Sängerin, die, das war damals nicht ungewöhnlich, auch als Schauspielerin auf der Bühne stand. Geboren wurde sie am 25. Oktober 1840 in Nordhausen, nach dem Biographischen Lexikon des Kaiserthums Österreich in Wien. In WIEN machte sie, wie ihr Vater Theodor Wagner, der am Burgtheater engagiert war, auch Karriere. 1865 (oder schon 1864?) sehen wir die 25jährige Dame im Theater an der Wien ihr Debüt erleben, 1865 gastiert sie bereits in MÜNCHEN: neben der heute noch wesentlich bekannteren Clara Ziegler. Nach einer Zwischenstation am Thaliatheater in HAMBURG, wo „sie sich zu einer der besten Soubretten Deutschlands ausbildete“, wie es im Lexikon heißt, ging sie nach Wien, wo sie ab 1868 Karriere machte. 1869 eröffnete sie das berühmte Carl-Theater mit Vert-Vert, der deutschen Fassung einer Operette des auch in Wien äußerst beliebten und auftretenden Jacques Offenbach. Ihr „Talent für Edleres“, lese ich, sei in ihr angelegt, ihre Stimme wäre von „großem Klang und Wohllaut“ gewesen, sie selbst sei „künstlerisch und gediegen gebildet“ gewesen. Minna Wagner heiratete dann noch den Herrn Karl Ueberhorst, der als Opernsänger und Schauspieler tätig war. Sie starb am 28. Dezember 1870 in DRESDEN, wo auch die andere Minna Wagner gestorben war.

Dies also ist die „echte“ Minna Wagner, also die Frau, die in den Biographien der anderen, wesentlich bekannteren Minna Wagner, mit weiteren „falschen“ Fotos und Graphiken wie dem Stahlstich aus einem 1870 erschienenen Künstler-Album vertreten ist. weshalb ich sie zumindest heute als die echte Minna Wagner, Richard Wagners Frau aber als „Minna Wagner, geb. Planer“ bezeichnen möchte.

Übrigens: Als Sibylle Zehle ihre wunderbare Biographie veröffentlichte, setzte sie das Foto von „1835“, das vermutlich Ende der 1860er Jahre entstand, sowohl auf die Titelseite als auch auf die Rückseite des Buchcovers – bei einer neueren Auflage wurde es durch eine (authentische) Porträtzeichnung ersetzt…

Also: Erinnern wir uns an Minna Wagner: die Komponistengattin – und die Wiener Schauspielerin, die Operettengeschichte geschrieben hat.

Allerbeste Grüße

Ihr Frank Piontek

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