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Wagner und Josef Beuys

Werte KUNST-Freunde,

der Besuch eines Beethoven/Wagner-Symposions, das am Wochenende vom Bonner Wagner-Verband ausgerichtet wurde, und in dem es u.a. um den politischen Beethoven ging, gab mir die schöne Gelegenheit, in der Bundeskunsthalle eine Ausstellung zum 100. Geburtstag von Joseph Beuys zu besuchen. Hier wird (noch bis zum 1. November) auf die Nähe der künstlerisch-sozialen Ideen des Bildhauers („Plastikers“) Wilhelm Lehmbruck zu den gesellschaftsumspannenden Werken von Joseph Beuys hingewiesen.

Liest man sich die diversen Manifeste durch, die Beuys in Zusammenhang mit der „Freien Internationalen Universität“ und seinen anderen Aktionen bis hin zur unheimlich gegenwärtig anmutenden Kasseler Aktion „7000 Eichen“ veröffentlicht hat, und vergegenwärtigt man sich, dass Beuys‘ Kunstbegriff sich nicht auf das Schaffen traditioneller, in Museen und Galerien ausstellbarer und in Opern- und Konzerthäusern aufführbarer Werke bezog, begreift man sofort die Nähe mancher seiner utopistischen (??) Gedanken zu den Revolutionsschriften Richard Wagners, die, zumal fünf Tage vor der nächsten Bundestagswahl, wenig von ihrer Aktualität verloren haben – sehen wir einmal davon ab, dass Wagners Analysen der sozialen Wirklichkeit richtiger waren und leider immer noch sind als die Schlüsse betr. seiner „sozialen Plastik“, die er daraus zog.

Aber vergleichen Sie selbst – und lesen Sie Wagners Texte, die er um 1850 herum schrieb. Und Beuys‘ Bemerkungen über den Weltzustand, die immer noch gut in die Parteistreitigkeiten dieser Tage passen. Leider…

Ihr Frank Piontek

WAGNER / BEUYS
Wundern wir uns daher nicht, wenn auch die Kunst nach Gelde geht, denn nach seiner Freiheit,
seinem Gotte strebt Alles: unser Gott aber ist das Geld, unsere Religion der Gelderwerb.
Die Kunst bleibt an sich aber immer, was sie ist; wir müssen nur sagen, dass sie in der modernen
Öffentlichkeit nicht vorhanden ist; sie lebt aber, und hat im Bewusstsein des Individuums immer als
eine, unteilbare schöne Kunst gelebt. Somit ist der Unterschied nur der: bei den Griechen war sie
im öffentlichen Bewusstsein vorhanden, wogegen sie heute nur im Bewusstsein des Einzelnen, im
Gegensatze zu dem öffentlichen Unbewusstsein davon, da ist. Zur Zeit ihrer Blüte war die Kunst
bei den Griechen daher konservativ, weil sie dem öffentlichen Bewusstsein als ein gültiger und
entsprechender Ausdruck vorhanden war: bei uns ist die echte Kunst revolutionär, weil sie nur im
Gegensatze zur gültigen Allgemeinheit existiert.
Ist dann die menschliche Gesellschaft dereinst so menschlich schön und edel entwickelt, wie wir es
allerdings durch die Wirksamkeit unserer Kunst allein nicht erreichen werden, wie wir es aber im
Verein mit den unausbleiblich bevorstehenden großen sozialen Revolutionen (Hervorhebung: F.P.)
hoffen dürfen und erstreben müssen, so werden die theatralischen Vorstellungen auch die ersten
gemeinsamen Unternehmungen sein, bei denen der Begriff von Geld und Erwerb gänzlich
schwindet; denn, gedeiht die Erziehung unter den obigen Voraussetzungen immer mehr zu einer
künstlerischen, so werden wir einst so weit alle selbst Künstler sein, dass wir gerade als Künstler
zuerst nur um der Sache, der Kunstangelegenheit selbst, nicht um eines nebenbei liegenden
gewerblichen Zweckes willen, zu einer gemeinsamen freien Wirksamkeit uns vereinigen können.
Die Kunst und ihre Institute, deren zu wünschende Organisation hier eben nur sehr flüchtig
angedeutet werden dürfte, können somit die Vorläufer und Muster aller künftigen
Gemeindeinstitutionen werden: der Geist, der eine künstlerische Körperschaft zur Erreichung ihres
wahren Zweckes verbindet, würde sich in jeder anderen gesellschaftlichen Vereinigung
wiedergewinnen lassen, die sich einen bestimmten menschenwürdigen Zweck stellt; denn eben all‘
unser zukünftiges gesellschaftliches Gebaren soll und kann, wenn wir das Richtige erreichen, nur
rein künstlerischer Natur noch sein, wie es allein den edlen Fähigkeiten des Menschen angemessen
ist.
Wer wird demnach aber der Künstler der Zukunft sein? Der Dichter? Der Darsteller? Der Musiker?
Der Plastiker? – Sagen wir es kurz: das Volk. Dasselbige Volk, dem wir selbst heutzutage das in
unserer Erinnerung lebende, von uns mit Entstellung nur nachgebildete, einzige wahre Kunstwerk,
dem wir die Kunst überhaupt einzig verdanken.

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