
Richard Wagner lesend, Zeichnung von Paul von Joukowsky am Abend des 12. Februar 1883
Leidend und groß, wie das Jahrhundert, dessen vollkommener Ausdruck sie ist, das neunzehnte, steht die geistige Gestalt Richard Wagners mir vor Augen.
Thomas Mann
Die Welt ist arm für den, der niemals krank genug für diese „Wollust der Hölle“ gewesen ist.
Friedrich Nietzsche
Freitag, den 03. März 2023 um 18 Uhr im Warburg-Haus:
Vortrag von Prof. Dr. Peter Petersen (Hamburg) zu inhaltlich und musikalischen Strukturverknüpfungen (Leitmotivik)in Richard Wagners "Tristan und Isolde".
Zum Vortrag von Prof. Dr. Peter Petersen:
Der renommierte Hamburger Musikwissenschaftler Peter Petersen und Prof. Constantin Floros (Ehrenmitglied unseres Verbands) waren für mich die wichtigsten Dozenten während meines Studiums der Musikwissenschaft. Daher freue ich mich um so mehr, dass Prof. Petersen einen Wagnervortrag halten wird.
Nachdem nun (viel) über Regie, Regietheater, RING-Inszenierungen und den nicht unerheblich belasteten "Neuanfang" der Bayreuther Festspiele referiert wurde, steht nun der Musikdramatiker Wagner im Zentrum. Der Titel des Vortrags:
TRISTAN – »opus magnum« oder »vollblutigstes« Liebesdrama?
Thesen zu einer figurenspezifischen Deutung von Wagners Komposition
Peter Petersen wird in die Grundgedanken seines 2019 bei Königshausen & Neumann erschienenen Buchs
»Isolde und Tristan. Zur musikalischen Identität der Hauptfiguren in Richard Wagners ›Handlung‹ Tristan und Isolde« einführen.
Für ihn ist Wagners TRISTAN nicht primär ein Ideenwerk, sondern ein wirkliches Drama, in dem Isolde und Tristan handelnde Figuren mit musikalischem Charakter sind. Als singende Darsteller agieren sie nicht nur sprachlich und gestisch, sondern auch musikalisch. Die zentralen Leitmotive, allen voran die beiden Sehnsuchtsmotive gis-a-ais-h und g-as-b-c, lassen sich einerseits Isolde und andererseits Tristan zuordnen.
Der Vortrag wird mit entsprechenden Musikbeispielen begleitet.
Warburg-Haus, Heilwigstraße 116, U-Bahn Kellinghusenstraße.
Nur Abendkasse. Eintritt 9 € (Mitglieder 6 €).
Parkplätze vorhanden; gebührenpflichtiges Parken bis 20 Uhr.
Liebe Mitglieder des Richard Wagner-Verband Hamburg,
der Vorstand lädt zur Jahresmitgliederversammlung des Richard-Wagner-Verbands Ortsgruppe Hamburg e.V. Mittwoch, den 22. Februar 2023 um 19 Uhr, im Warburg-Haus, Heilwigstrasse 116, 20249 Hamburg ein.*
Tagesordnung
1 Begrüßung
2 Gedenken der 2022 verstorbenen Mitglieder
3.1 Bericht der Schatzmeisterin
3.2 Bericht der Kassenprüferinnen
3.3 Bericht des Vorstands
4 Entlastung des Vorstands
5 Bestellung der Kassenprüfer(-innen)
6 Wahl der/des 2. Vorsitzenden
7 Wahl der/des Schatzmeister(-in)
8 Verabschiedung der jährlichen Aufwandspauschalen für den 1. Vorsitzenden und 2. Vorsitzenden
9 Vorschau
10 Verschiedenes
* Bitte beachten Sie, dass das Parken in der Heilwigstraße und den angrenzenden Straßen seit Beginn des Jahres kostenpflichtig ist!
„Walkürenritt und Eurythmie“ – Der anthroposophe Wagner
Bericht über einen denkwürdigen Abend
Der Titel kündigte es bereits an, die Verbindung von Heavy Metal à la Wagner und der anthroposophischen Tanzkunst würden schwerlich eine harmonische Beziehung eingehen. Warum das so ist, warum die rückwärtsgewandte Projektion der Lehre Rudolf Steiners auf das Denken und die Werke Richard Wagners zu falschen Ergebnissen führt und warum es dennoch nachvollziehbare Anknüpfungspunkte zwischen Wagner und Steiner gibt, dazu gab am Montag, den 06.12. 21, Prof. Dr. Dr. h.c. Udo Bermbach im Saal des Warburg-Hauses hinreichend Auskunft – und zwar streng „wissenschaftlich-humorvoll“!
Es ist nicht ganz einfach in der hier gebotenen Kürze eine Darstellung der Bezüglichkeit zwischen Richard Wagners Denken und Werk einerseits und der Anthroposophie Rudolf Steiners andererseits darzustellen und dabei dem Vortrag von Prof. Dr. Bermbach gerecht zu werden, aber der Versuch sei dennoch unternommen – nicht ohne die hier schon notwendige Entschuldigung für alle unzulässigen Verknappungen auszusprechen.
Steiners Blick auf Mensch, Sein und Welt ist ein ganzheitlicher, Wagners Anschauung durchaus verwandt, aber dennoch in einem wesentlichen Aspekt völlig unterschieden. Steiner beschreibt in naturwissenschaftlicher Diktion eine komplexe, transzendente Welt in mehreren Entwicklungsstufen, die gänzlich die Grenzen der Erfahrung und der sinnlichen erkennbaren Welt überschreitet, also ein transzendentes Sein jenseits der empirischen Welt unterstellt. Erstaunlich, stellt sich doch die Frage der intersubjektiven Nachprüfbarkeit des „Erschauten“. Der Schlüssel zur Antwort liegt in der Ganzheitlichkeit des Ansatzes, was als methodische Begründung, nicht aber als überzeugendes erkenntnistheoretisches Argument anzusehen ist.
Wagners Blick auf Mensch, Sein und Welt ist also ähnlich ganzheitlich, aber nicht transzendent, also nicht die sinnliche Welt überschreitend, sondern im kantischen Sinn eher „transzendental“, also eine Einheit von Mensch und Natur annehmend, die vor jeder subjektiven Erfahrung dem Sein innewohnt und die Erkenntnis des Gegenständlichen erst ermöglicht. Für Wagner ist die Ganzheitlichkeit des menschlichen Seins, das „Reinmenschliche“, quasi eine conditio humana, die zwar historisch verloren ging, aber durch die Zusammenführung der Künste in einer neuen Ästhetik, dem Gesamtkunstwerk, als Mittel der Rückführung wiedergewonnen werden könne.
Steiner will „Weltganzes“ im Übersinnlichen erkennen, Wagner durch sein „Gesamtkunstwerk“ dem Menschen dessen Ganzheitlichkeit zurückgewinnen. Das sind zwar vollkommen unterschiedliche Konzepte, aber in beiden existieren die Idee der Einheit von Mensch und Natur, der Überwindung des Egoismus und das Ziel einer Gesellschaftsform des „Liebeskommunismus“. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Wagner und Steiner ist die jeweilige Entwicklung einer eigenen Christologie. Für beide ist die Erscheinung Christi ein kulturhistorischer Einschnitt. Steiner deutet Christus als „Eingeweihten“ im Sinne seiner eigenen Weltanschauung, für Wagner steht der Kreuzestod Christi als „Tat christlicher Liebe“. Soweit zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden.
Die Analyse der Werke Richard Wagners aus dem Geiste der Anthroposophie ist dann aber keine Analyse, die vom Werk Wagners ausgeht, sondern der fragwürdige und wissenschaftlich nicht statthafte Versuch, Wagners Werke in der Analyse dem anthroposophischen Denken unterzuordnen. Das führt in praxi teilweise zu Lesarten der Werke, die mit Wagners eigenen ästhetischen, stofflichen und dramatischen Absichten wenig zu tun haben. In der Konsequenz hat die anthroposophische Exegese der Wagnerschen Werke nie Anschluss an den akademisch-geisteswissenschaftlichen Wagner-Diskurs gefunden. Und dennoch ist der „anthroposophe“ Wagner im Verständnis Rudolf Steiners im Übergang vom 19. Jahrhundert zum zwanzigsten kein intellektuelles Willkür-Produkt. Es eint beide das Bewußtsein vom Verlust der menschlichen Ganzheitlichkeit in einer immer industrieller und arbeitsteiliger werdenden kapitalistischen Gesellschaft, wenn auch die theoretischen Ansätze ihrer Wiedererlangung und das damit verbundene Weltbild gänzlich inkompatibel sind. Übrigens hat der ganzheitliche Blick auf die Einheit von Mensch und Natur in der Übergangsphase der Jahrhundertwende durchaus Konjunktur und stellt sich stark abgrenzend gegen die ansonsten herrschende positivistische Wissenschaftstheorie.
Mit seinem in diesem Jahr erschienenen Buch „Der anthroposophe Wagner“ Rudolf Steiner über Richard Wagner, Verlag Königshausen & Neumann, hat Prof. Dr. Dr. h.c. Udo Bermbach in Ergänzung zu seinen zahlreichen maßstabsetzenden Publikationen der letzten 20 Jahre einen bisher kaum beachteten Aspekt der Wagner-Rezeption aufgegriffen und wissenschaftlich zugänglich gemacht. Davon können diese Zeilen nur einen ansatzweisen Eindruck wiedergeben. Der Hörer seines Vortrags wird notwendigerweise zum Buch greifen wollen, dem Leser dieser kurzen Einführung sei es dringend empfohlen.
Im Anschluss an seinen Vortrag war es dem frisch gewählten, neuen Vorsitzenden des Richard Wagner-Verband Hamburg, Volker Wacker, und allen Anwesenden eine große Freude, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Bermbach zum Ehrenmitglied zu erklären, mit Überreichung von Urkunde und Gedenkmünze, so wie es sich gehört! Ein korrektiver Gedanke sei an dieser Stelle angefügt: tatsächlich ehrt Prof. Dr. Bermbach durch seine besondere Mitgliedschaft unseren Hamburger Wagner-Verband. Das macht uns ungeheuer stolz!
In seiner Dankesrede formulierte Prof. Dr. Dr. h.c. Bermbach einen Satz, den ich an dieser Stelle wegen seiner Außerordentlichkeit notwendig zu zitieren halte: „Die Begegnung mit dem Werk Richard Wagners in Mitwelt und Nachwelt ist das größte Bildungserlebnis meines Lebens“. Dieser Aussage kann sich der Verfasser dieser Zeilen und sicher ein großer Teil unserer Mitglieder unisono anschließen. Prof. Dr. Dr. h.c. Udo Bermbach ist nun unser Ehrenmitglied. Tu felix Wagner-Verband Hamburg!
Frank Sarnowski










