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Richard Wagner und Gustav Mahler

Gustav Mahler und Richard Wagner – eine innige Beziehung

Auch Gustav Mahler war in Bayreuth – und zwar mehrmals. Nein, er stand nie am Pult der Bayreuther Festspiele, das verhinderte Cosima Wagners Antisemitismus. Zwar schätzte sie den Orchesterleiter Mahler, doch schien er ihr für den Wagnerschen Gralstempel ungeeignet zu sein. Der junge Mahler hat Wagner vermutlich nie persönlich gesehen, als dieser in Wien war, und doch gibt es mehr als einen Grund, Mahler und Wagner zusammenzudenken. Hat Mahler auch nie eine Oper geschrieben, so könnte man in seinen revolutionären Symphonien so gut eine Fortsetzung des Wagnerschen Gesamtkunstwerks entdecken wie Wagner selbst seine Opern nach dem Lohengrin als logische Fortsetzungen von Beethovens Neunter Symphonie bezeichnete. Bei Wagner wie bei Mahler existiert ein Totalanspruch an die Musik, die immer auch Weltanschauung ist. Undenkbar, dass Mahler, der zwar ein genialer Operndirigent und -leiter war, aber sich nie zur Komposition eines Bühnenwerks bemüßigt fühlte, nicht gesehen hätte, dass ihn mit Wagner Vieles verband: die Überwältigungsstrategien seiner symphonischen, den Gesang wie selbstverständlich einschließenden Großwerke haben ihr Vorbild nicht bei Brahms und Bruckner, sondern in den kontrollierten Exzessen der Wagnerschen Muse. Es ist kein Zufall, dass Mahler, zumal in seinen frühen Symphonien, die Musik Richard Wagners direkt zitierte – das Gralsglockenmotiv und das Dresdner Amen, eines der auratischsten Motive des zutiefst spirituellen Parsifal, kehren in der ersten und vierten Symphonie des jüngeren Komponisten wieder, ohne dass man den Eindruck hätte, dass der Symphoniker den Musikdramatiker kopiert. So wie Wagner hat Mahler das Material benutzt, das ihm begegnete, um einen völlig eigenen Klang-Raum zu schaffen: auch im Sinn einer Raum-Musik mit gleichsam „natürlich“ eindringenden Elementen wie den Jagdsignalen, die er aus dem zweiten Tristan-Akt kannte. Was ihn jedoch am meisten mit Wagner verband, war das Bewusstsein, dass die Musik die Welt darstellen und zugleich überhöhen und den Menschen im tiefsten Innern aufrütteln müsse. Wer wollte daran zweifeln, dass es beiden, auf ihren je eigenen Gebieten, aber in emotionaler Vergleichbarkeit, auf außergewöhnliche Art gelang?

Frank Piontek

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