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Wagners Selbstmarketing

Liebe Wagner-Freunde,

die Herausgabe des 27. Bandes der Sämtlichen Briefe Richard Wagners (enthaltend die Briefe des Jahres 1875), der gerade aus dem Verlag heraus- und bei mir herauskam  – eine 1A-Lektüre für jeden echten Wagner-Freund – bringt mich auf einen kleinen Brief, der die Eigenheit besitzt, innerhalb der großen Edition noch unveröffentlicht zu sein. Er wurde am 16. Juni 1843 geschrieben, also heute vor 178 Jahren, und als Nr. 335 im WBV gelistet.

Wagner, in DRESDEN sitzend, schrieb damals an die LEIPZIGER Theateragentur Sturm & Koppe. Bereits fünf Tage zuvor hatte er die Agentur angeschrieben, um seiner Sache Nachdruck zu verleihen: sie möge doch bitteschön Werbung für sein Werk machen. Wagner war erfolgreich; die Allgemeine Theater-Chronik brachte am 12. Juni eine kurze Anzeige der KASSELER Aufführung zum Druck, am 23. Juni folgte ein Kurzbericht über die Aufführung des Holländers in RIGA (nachzulesen in Helmut Kirchmeyers monumentaler Dresdner Dokumentensammlung).

All das steht in Zusammenhang mit Wagners Werbung, die er zielgerichtet – und oft erfolgreich – betrieb. Mehr darüber erfahren Sie in Nikolas Vazsonyis höchst lesenswertem Buch Richard Wagner: Die Entstehung einer Marke. Denn Wagner ist und war „innerhalb des umkämpften Opernmarktes“ (Vazsonyi) ohne seine Vermarktungsstrategien nicht zu haben.

Der kleine, eher unbekannte Brief, vermag uns also Einiges über eine wichtige Seite des um Ansehen kämpfenden Künstlers R.W. zu verraten, der seine Werke gewürdigt wissen wollte.

330 An Sturm & Koppe, Leipzig. Dresden, 11.6. 1843
Ew. Wohlgeboren
ersuche ich ergebenst, in Folge der mir durch Herrn Kapellmeister L. SPOHR gemachten Anzeige von der
am 5ten d.M. in Cassel mit außerordentlichem Erfolge stattgefundenen Aufführung meiner Oper „Der
fliegende Holländer“, mich durch Besorgung eines ausführlichen Berichtes über diese Vorstellung in Ihrer
vielgelesenen Theater-Chronik gefälligst verpflichten zu wollen, bei welcher Bitte ich wohl nicht erst zu
erwähnen haben werde, daß die bei dieser Gelegenheit Ihnen erwachsenden Kosten von mir nach gefälliger
Anzeige erstattet werden sollen.
Mit größter Hochachtung
Euer Wohlgeboren
ergebenster
Richard Wagner,
König. Sächs. Kapellmeister.


335 Sturm & Koppe, Leipzig. Dresden, 16.6. 1843
Ew. Wohlgeboren
bin ich so frei, bevor ich auf Ihren letzhin mir gethanen gütigen Vorschlag genauer eingehe, zunächst einen
Brief des Direktors des Rigaer Theaters zu übersenden, worin mir derselbe den Erfolg meiner Oper „Der
fliegende Holländer“ auch auf seiner Bühne anzeigt. Wollen Sie die Güte haben, diesem Brief einiges für
eine Notiz für Ihre Theater-Chronik zu entnehmen, so würden Sie mich dadurch von Neuem sehr verbinden.
Baldige weitere Nachricht von mir vorbehaltend habe ich die Ehre zu verbleiben
Ew. Wohlgeboren
ganz ergebenster
Richard Wagner

Herzlich Grüße!

Frank Piontek

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