Liebe Wagner-Freunde,
Wagner kennenlernen – das kann man natürlich, indem man seine Opern mit den Partituren in der Hand rauf- und runterhört, verschiedenste musikalische und szenische Interpretationen studiert, viele viele Bücher und Aufsätze über sein Werk und ihn liest, wobei die Frage schon darin bestehen könnte, ob er und sein Werk nicht identisch sind. Die Kritik, die Nikolaus Harnoncourt an Wagner geäußert hat, müsste diese Überlegung weiterführen.
Was aber am wichtigsten ist: ihn selbst zu lesen.
Seit einigen Tagen gibt es die Möglichkeit, über die publizierten Texte, Briefe und Dokumente hinaus sich noch weitere Stücke/Objekte anzuschauen. Denn das Bayreuther Nationalarchiv, kurz: NA, hat uns mit der Präsentation ungeheuer vieler digitalisierter Sammlungsstücke einen ungeheuren Schatz geschenkt. Unter dem Titel Sammlung online findet man nun 12000 Dokumente mit nicht weniger als 65000 Digitalisaten: zuerst aus dem Nachlass Richard und Cosima Wagners, darunter 2000 Stücke, die Richard Wagner direkt betreffen: über 1200 Briefe, daneben 200 Telegramme, 165 Briefkonzepte, 120 Aufsätze, Dichtungen, Partituren, Zeichnungen, Visitenkarten undundund. Und wenn Sie jetzt sagen: Kenn‘ ich ja schon, es gibt ja schließlich die Werk- und Brief-Ausgaben, dann kann ich mit Nikolaus Harnoncourt sagen, dass sich die Kenntnis eines musikalischen Werks durch das Studium der handschriftlichen Partituren zu erweitern vermag. Und noch sind längst nicht alle Notenschriften, Briefe und Texte Wagners veröffentlicht worden.
Erschlossen wird dieser Schatz durch sehr differenzierte Stichwortregister und Namenslisten, sodass Sie beispielsweise in kürzester Zeit Hunderte von Lisztiana (auch aus der Hand seiner guten Mutter), geordnet nach Adressaten und Schreibern, aufblättern können. Freunde der Festspielgeschichte erhalten Dokumente zu derselben zur Durchsicht, Freunde Siegfried Wagners mit seinen originalen Partituren einen Einblick in dessen Werk.
Ich möchte Ihnen an einem einzigen Beispiel zeigen, was man in dieser Sammlung finden kann, wenn man sich durch die Bestände durchgeklickt hat. Es handelt sich um ein paar Verse, die auch ich übersah, als ich Wagners „Sämtliche Gedichte“ edierte. Es handelt sich „nur“ um Variationen eines bekannten Volkslieds, aber auch diese entzückende Nebensächlichkeit gehört zu Wagners schriftstellerischem Werk, zu seinem Humor, zu seiner Geistesgewandtheit, die das Bild, das wir von diesem Mann uns machen, um einen winzigen, aber schillernden Mosaikstein zu erweitern vermag. Sie finden die Zeilen hier – klicken Sie sich einfach durch die Notizen:
https://digital.wagnermuseum.de/ncrw/content/titleinfo/48583
Womit ich Ihnen viel Vergnügen beim Stöbern und Studieren wünsche.
Herzlichst
Frank Piontek