Menü Schließen

Wagner in Frankreich – Marcel Proust

Werte Literaturfreunde,


morgen vor 150 Jahren wurde Marcel Proust geboren. Was den Autor des gewaltigen Romanzyklus À la recherche du temps perdu mit dem Musikdramatiker verbindet, muss man dem Kenner der Romane nicht erzählen. Ich kann nur auf Weniges hinweisen: Wenn Aischylos‘ Prometheus-Tetralogie das Vorbild für den Ring war, so der Ring auf gewisse Weise für die Recherche; im Zeichen des Leitmotivs und der mit ihm verbundenen Kompositionstechnik nähern sich die beiden Werke auf seltsame Weise an. Proust hat diesen Zusammenhang selbst gesehen. In La Prisonnière, dem fünften Teil der Recherche, lässt er seinen Erzähler darüber räsonieren, dass seine eigene Geschichte dem Ring ähnele:



Wagner, der aus seinen Schubfächern ein köstliches Stück zog, um es als ein rückblickend unerlässliches Thema einem Werk einzufügen, an das er noch nicht gedacht hatte, als er es komponierte, und der dann, nachdem er seine erste mythologische Oper, dann eine zweite, schließlich noch eine weitere geschaffen hatte, mit einem Mal, bemerkte, dass eine Tetralogie entstanden war, hatte gewiss ungefähr den gleichen Rausch wie Balzac erlebt, als dieser auf seine Werke den Blick eines Fremden und zugleich eines Vaters warf…


Wie Proust (als Proust) selbst einmal schrieb: Ich werde die Entdeckung der wiedergefundenen Zeit durch Gefühle darstellen, die von einem Löffel, von Tee usw. ausgelöst werden, als eine Erleuchtung à la Parsifal. War es die berühmte „Wunde“, die etwas in Proust zum Klingen brachte? Die Wunde, die für einen Homosexuellen im Zeitalter der Schwulenverfolgungen ein Stigma sein musste? Spekulationen…

Es dürfte jedoch kaum ein Zufall sein, dass es ein Musiker ist, der im Roman für ein in zweierlei Sinne leitmotivisches Thema sorgt: die Melodie aus der Sonate des Komponisten Vinteuil, der schließlich ein Septett komponiert, von dem Marcel in äußerst origineller Weise behauptet, dass es ein ebenso großer Fortschritt gegenüber der Sonate sei wie Tristan und Meistersinger gegenüber dem Tannhäuser – damit zitiere ich nur einige oberflächliche Bezüge zwischen dem Roman und Wagners Werk. Auch in Prousts Fall ist die Sekundärliteratur in Sachen Wagner nicht unerheblich. Das Feld der unendlichen Zeit bleibt offen.


Mit besten Grüßen
Frank Piontek

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert