Liebe Wagnerfreunde,
150 – das ist die Zahl des Tages. Denn der heutige Abonnementsbeitrag ist bereits der 150. Was ist naheliegender, als sich die Nr. 150 im Dokumentenverzeichnis des WBV einmal genauer anzuschauen?
Wir entdecken da unter der Nummer A 150 ein im Mannheimer Stadtarchiv befindliches Albumblatt, das Wagner am 20. Mai 1857 in Zürich einem Herrn namens J. Beckers gewidmet haben soll. Das stimmt fast, denn der Bewidmete hieß nicht „Beckers“, sondern „Becker“. Der Text also lautet, zusammen mit den dazugehörigen Noten:
Friedensmarsch aus Rienzi zur Hochzeitsreise Herrn J. Beckers.
Zürich 20. Mai 1857. Richard Wagner
Nun wundert es mich, dass das Stück, das ich (noch) nicht in Augenschein genommen habe, angeblich 1857 entstanden sein soll. Ich gehe davon aus, dass die Bearbeiter des WBV sich bei der Datierung nicht versehen haben, aber merkwürdigerweise würde auch der 20. Mai 1853 passen – denn Wagner hatte am 18. Mai, also zwei Tage zuvor, das erste seiner drei Zürcher Festkonzerte dirigiert, in denen der sog. Friedensmarsch aus Rienzi stets am Beginn gespielt wurde: zur stimmungsmäßigen Eröffnung, weniger als Teil des eigentlichen Programms, das aus Stücken der drei „romantischen“ Opern zusammengesetzt wurde. Ein Schweizer Musiker namens Herr Becker begegnet bei Wagner zudem einzig und allein in dieser Zeit. Wagner nennt ihn am 18. April 1853, als es darum ging, die Musiker für die Konzerte zusammenzustellen – neben den Herren Arnold, Petzold, Thiele, Lüthard, Busch und Löwe nennt er jenen Herrn Becker, von dem ich annehme, dass er mit dem Widmungsträger jenes Marschs identisch ist, den die Musiker vier Wochen später spielten. Wer er genau war, entzieht sich meiner Kenntnis; er wird weder in Wagners Briefen und Schriften noch in der schweizerischen Wagner-Literatur erwähnt, die – dank Chris Walton – gewöhnlich gut informiert ist.
Zitiert wird allein die Einschätzung, die der Friedensmarsch erfuhr. Die Eidgenössische Zeitung veröffentlichte am 19. Mai 1853 einen Bericht, in dem wir die lobende Phrase lesen können, dass Wagner Anblick so „imposant und herausfordernd“ gewesen sei, „dass es uns wahrhaft wohltuend und beruhigend war, als die dichtgeschaarten Phalangen so sinnig mit einem milden Liede des Friedens begannen“.
Den „milden“ und kaum wirklich bekannten, im Ton echt rienzihaften Friedensmarsch kann man immer noch hören, etwa in einer der ersten einigermaßen (ähäm…) kompletten Einspielungen des Rienzi;
Womit ich Sie / Euch alle herzlich und cavalieresk grüße
und mich zunächst für ein paar Tage in jenes Land verabschiede, in dem die Oper spielt.
Frank Piontek