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Wagner und Molière

Verehrte Theaterfreunde,

am 15. Januar feierte die Welt den Tauftag des vor genau 400 Jahrhunderten geborenen Jean-Baptiste Poquelin, der als „Molière“ bekannt wurde. Dass Wagner 1840 in PARIS in jenem Haus wohnte, das man seinerzeit für das Geburtshaus des Dichters hielt, den der Dramatiker Jean Anouilh als das „größte Geschenk Frankreichs an die Welt“ bezeichnete, ist weniger wichtig als die Tatsache, dass er später in seinen Theorieschriften auf den Dichter zurückkam – auf den Dichter als sein eigener Schauspieler, „der zugleich die höchste Kraft dichterischer Schöpfungsgabe in sich vereinigte“.

„Einzig lebenvoll produktiv“, heißt es in Über die Bestimmung der Oper, „steht neben Corneille und Racine, den Dichtern der Façon, der Schauspieler Molière“. „Die lebendige Schauspielkunst“, so hatte er ja schon früher in Das Kunstwerk der Zukunft geschrieben, sei „bei uns in der neuesten Zeit fast nur den Schülern Molières entnommen“. Erinnert man sich daran, dass sich Wagner ein Drama aus dem Geist des Theaters – und nicht der Lektüre – erträumte, wird schnell klar, welche Bedeutung Molière für ihn hatte: er war der französische Dichter, der zu seiner Zeit ein Ideal eines vom Gestus und der Aktion geprägten Dramas vertrat – was nicht hieß, dass er durchweg gute Stücke schrieb, oder anders: Kommt Wagner auf die Texte des Dichters, ist er regelmäßig enttäuscht. Von Les Fourberies de Scapin schrieb er in seiner ersten Pariser Zeit, dass es Leute gäbe, „welche behaupten, dies sei das beste von allen Stücken gewesen“ – das beste neben den anderen damals am Odeon gespielten Stücken. Als man am 25. Februar 1877 Molière liest, ist das Urteil eindeutig: „König Oedipus gelesen und abends [mit] R. den Misanthrope französisch gelesen. Von Sophokles zu Molière, wie von dem geheimnisvollen Urquell der Poesie zum im Sande sich verlierenden Bächlein. Wir lesen darauf Schlegel über Molière und finden ihn sehr gerecht. R. findet ihn (M.) grob und oberflächlich, ich abstrakt, leblos, ohne Gestaltungskraft.“

Wagner konnte aber, wie immer, auch ein bisschen anders. Am 21. März 1882 „liest er in Molière Les Femmes savantes, er findet das Stück eigentlich grob und den Ruf Molières sehr überschätzt; einiges aber unterhält ihn darin“.

Na Gott sei Dank!

Frank Piontek

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