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Wagner in Korrespondenz mit dem Musiker Theodor Uhlig

Es existiert ein Brief, der bislang noch nicht in den SB (den „Sämtlichen Briefen“) publiziert wurde, obwohl er bereits 1852 geschrieben wurde. Er ist leider nur, doch immerhin durch einen Ausschnitt und eine inhaltliche Zusammenfassung in einem 60 Jahre alten Sotheby’s-Katalog bezeugt. Geschrieben am 6. Dezember 1852 in Zürich, ist er ein weiteres Zeugnis für die Bedeutung des Dresdner Musikers für den im Exil sitzenden Wagner, wo der Komponist auf die Dienste eines Uhlig angewiesen war.

WBV 1111 Unbekannt (in Breslau). Zürich, 6.12. 1852 (Übersetzung)

Uhlig schreibt mir aus Dresden, dass die Direktion des Breslauer Theaters zweimal wegen des Fliegenden Holländers an ihn herangetreten ist. Er drückt sein Erstaunen darüber aus, dass er nicht direkt angesprochen wurde, und bittet seinen Korrespondenten, bei der Direktion für ihn zu verhandeln. Ich hatte sogar das Vergnügen, anderen Theatern die Aufführung des Tannhäuser erst dann zu gestatten, wenn Sie den Holländer gegeben hatten, denn dieser gehört dazu wie der erste Akt zum zweiten (Lohengrin könnte man den dritten nennen). Liszt wird ihn im kommenden Februar in Weimar aufführen. Vieles darin ist populärer als Tannhäuser. Ich habe die Partitur sorgfältig überarbeitet.

Am selben Tag ging ein Brief mit folgender Mitteilung an Uhlig raus: „Der fl. Holländer werde nach Breslau geschickt, sobald man jetzt noch darum schreibt, denn es geschieht mit meiner Einwilligung.“ Am 22.12. wies Wagner dann Liszt an, die Partitur, „nach welcher die Weimarische berichtigt worden ist, an Uhlig nach Dresden schicken. In Breslau harrt man schon sehr lange auf ein darnach ebenfalls herzurichtendes Exemplar“. Zwei Tage später, also am Heiligen Abend, wies er Uhlig definitiv an,
zwei Holländer-Exemplare zu verschicken: nach Breslau und nach Schwerin, doch noch am 8. Januar war aufgrund von Weimarer Verzögerungen kein Exemplar nach Breslau abgegangen – nachdem es eingetrudelt war, wurde das Stück jedoch schnellstens einstudiert, so dass Wagner schon Anfang Februar 1853 von einer dritten Vorstellung unter dem Dirigat des Kapellmeisters Eugen Seidelmann berichten konnte, der sich schon um den Tannhäuser verdient gemacht hatte.
Der Brief, in dem es um übliche Vermittlungsdienste geht, enthält, jenseits der tagesaktuellen Oberfläche, allerdings noch eine andere Information. Wagner weist auf den tiefen Zusammenhang zwischen seinen ersten drei „romantischen“ Opern hin; genau dies hatte er in seiner im Jahr zuvor geschriebenen Mitteilung an meine Freunde erläutert. Das Bewusstsein, ein Gesamtwerk und keine Folge von Einzelwerken geschrieben zu haben, konnte also auch in geschäftsmäßigen Mitteilungen seinen Platz finden.

Uhlig sollte übrigens nicht mehr viel Zeit haben, die Wagnerschen Befehle auszuführen. Er starb bereits vier Wochen nach dem (verschollenen) Brief, den Wagner am 6. Dezember 1852 nach Breslau geschickt hatte – ein paar Wochen vor der Breslauer Erstaufführung, um die er sich auf der Schlusskurve seines Lebens noch postalisch kümmern sollte.

Frank Piontek

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