Liebe KUNST-Freunde,
also die DOCUMENTA 15 oder DOCUMENTA FIFTEEN, wie man an der Fulda so schön sagt.
Wagner auf der großen Kunst-Schau, gibt’s das? In gewisser Weise – wenn man denn mythologische Archetypen kennt, die in so ziemlich jeder Kultur präsent sind. So fanden wir gestern nachmittag noch eine „Erda“, eine sehr Große Mutter, die uns im Hallenbad Ost von der Wand her anstrahlte.
Im Hallenbad Ost in Bettenhausen geht’s ausschließlich um eine Gruppe – Kollektive: das ist ja das Zauberwort dieser Documenta – , die (natürlich) wieder in Indonesien tätig ist: Taring Padi. Sie schuf u.a. das Großbild, das schon kurz nach Beginn der Documenta aufgrund eines antisemitischen Bildmotivs vom Friedrichsplatz entfernt wurde. Ich zitiere aus der Beschreibung, die auf der Homepage der Documenta am betreffenden Ort (https://documenta-fifteen.de/lumbung-member-kuenstlerinnen/taring-padi/) zu finden ist:
„Das Institut für bürgernahe Kultur Taring Padi wurde 1998 von einer Gruppe progressiver Kunststudierenden und Aktivist*innen als Antwort auf die gesellschaftspolitischen Umwälzungen der indonesischen Reformasi-Ära gegründet. Taring Padis künstlerische Praxis ist daher nur vor dem Hintergrund der gesellschaftspolitischen und kulturellen Solidarität der Gruppe und ihrer Aktivitäten zu verstehen. Zu Taring Padis Praxis kollektiver und individueller Kunstproduktion gehören Straßenproteste, Holzschnitt-Workshops, Kunstkarnevals und Ausstellungen an ungewöhnlichen Orten. Spontan gebildete politische Allianzen, landwirtschaftliche oder von Fischerei geprägte Gemeinschaften, aber auch ihre eigene Umgebung sind für Taring Padi Orte des gemeinsamen Arbeitens und Lernens. Transparente, Holzschnittplakate und wayang kardus (lebensgroße Pappkartonpuppen) sowie Auftritte als die beliebte Musikgruppe Dendang Kampungan sind künstlerische Mittel von Taring Padi, um sich selbst, ihre Gemeinschaft und die verschiedenen Solidaritätsaktionen, an denen sie beteiligt sind, aufzurütteln, zu informieren und zu organisieren. Im Jahr 2002 wurde Taring Padi zu einem Kollektiv. Dadurch wollte die Gruppe inklusiver werden und die persönliche Dynamik zwischen den Mitgliedern unterstützen, ohne ihren progressiven, militanten Charakter aufzugeben oder sich von ihrer Auffassung von Kunst als Katalysator sozialen Wandels zu verabschieden.“
Kunst als Katalysator sozialen Wandels – kennen wir das nicht auch von Wagner? Wozu man „nur“ seine Zürcher Kunstschriften studiert haben muss? Eines aber war Wagner gewiss nicht, auch wenn er in seinen ersten Kunstschriften noch von einem kollektiven „Volksgeist“ ausging: ein (relativ) anonym agierender Mann eines Kollektivs. Der Ansatz, mit Kunst die Welt verändern zu können, deckt sich jedoch mit jenem, den auch Taring Padi vertritt – und dem das Kollektiv mit der freundlichen Darstellung einer Großen, das Leben versinnbildlichenden Mutter einen schönen Ausdruck verliehen hat.
Wenn Sie wollen, können Sie ja, während Sie sich das Foto anschauen, den Auftritt Erdas im RHEINGOLD anhören. Ich finde, dass die Erhabenheit der Musik sehr gut, zur Stimmung dieses Riesentransparents passt.
Demnächst geht’s weiter durch Kassel. Bis dahin alles Gute
Ihr Frank Piontek