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Richard Wagner lesend, Zeichnung von Paul von Joukowsky am Abend des 12. Februar 1883

Leidend und groß, wie das Jahrhundert, dessen vollkommener Ausdruck sie ist, das neunzehnte, steht die geistige Gestalt Richard Wagners mir vor Augen.

Thomas Mann                                                                                                   

Die Welt ist arm für den, der niemals krank genug für diese „Wollust der Hölle“ gewesen ist.

Friedrich Nietzsche

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Hochgeschätzte Mitglieder des Richard-Wagner-Verbands Hamburg,

das war ein Fest, der Vortrag von Dr. Sven Friedrich am Montag vor zwei Wochen, aber auch die Veranstaltung als Ganzes inkl. der Laudatio von Frank Sarnowski.

Der in die Tiefe gehende Austausch des Auditoriums im Anschluß an den Vortrag zeigt, daß in unserem Kreis Menschen sind, die eben nicht auf dem Niveau von "Infotainment" stehen, sondern mehr wollen und auch mehr verstehen.

Der letzte Gesprächsteil, wo sehr persönliche Fragen an Dr. Friedrich gestellt wurden, und denen er nicht wortgewandt auswich, waren in seiner Unverstelltheit Ausdruck, daß der RWV Hamburg seinen Gästen offen und empathisch entgegen kommt. Bei uns herrscht keine "Cancel Culture", sondern das Gegenteil. Verehrte Mitglieder, sehr geehrte Damen und Herren, bitte weiter so!

Volker Wacker



Ehrung für Museumsdirektor

Dr. Sven Friedrich zum Ehrenmitglied des Richard-Wagner-Verbands Hamburg ernannt

Am 24. April wurde Museums- und Archivdirektor Dr. Sven Friedrich im Hamburger Warburg-Haus vom Vorsitzenden des Richard-Wagner-Verbands Hamburg Volker Wacker zum Ehrenmitglied ernannt. Friedrich erhielt diese Auszeichnung „für seine herausragenden Verdienste um die Vermittlung von Werk und Wirkung Richard Wagners“, so der Wortlaut der Urkunde.

Vor ihm erhielten diese Ehrung u.a. bereits Prof. Dr. Dr. Udo Bermbach, Prof. Dr. Dr. Constantin Floros, Prof. Dr. Dr. Hermann Rauhe, Kammersänger Dr. Bernd Weikl und die Dirigentin Simone Young.

In seiner Laudatio betonte der Regisseur und Autor Frank Sarnowski Friedrichs Leistungen bei der Eröffnung des Bayreuther Franz-Liszt-Museums 1993, der Neugestaltung des Jean-Paul-Museums 2013 und vor allem der Erweiterung und Neugestaltung des Richard Wagner Museums, Haus Wahnfried, 2015 sowie der Digitalisierung und Online-Veröffentlichung von zentralen Handschriftenbeständen des Nationalarchivs der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth. Insbesondere habe er durch rege Publikations- und Vortragstätigkeit über nunmehr drei Jahrzehnte Werk und Wirkung Richard Wagners stets auch kritisch vermittelt. Besonders seien hier die Inszenierungseinführungen zu den Produktionen der Bayreuther Festspiele im Festspielhaus hervorzuheben.

Friedrich dankte nach einem anspruchsvollen Vortrag mit dem Titel „Welt ohne Gott – Richard Wagners Selbsterlösungsreligion“ mit den Worten, dass man angesichts der aufgezählten vermeintlich großen Taten, Werke und Verdienste etwas verwundert vor dem Marmorbild der eigenen Person stehe, vor dessen Gewicht man sich besser hüten sollte, damit die Laudatio nicht unversehens zum Nekrolog werde. Er freue sich aber besonders, dass ihm die Auszeichnung gerade vom Richard-Wagner-Verband seiner Heimatstadt Hamburg verliehen werde und verstehe sie als Bestätigung einer Linie und Haltung, die nicht nur Zustimmung finde. Sie sei für ihn jedoch nicht nur eine Würdigung seiner persönlichen Arbeit, sondern auch aller, die ihn dabei unterstützt haben: „Denn der Erfolg hat ja stets viele Mütter und Väter – der Misserfolg dagegen leider deutlich seltener“, so Friedrich. (Pressemeldung auf der Homepage des Richard Wagner Museum vom 16.06.2023)


„Walkürenritt und Eurythmie“ – Der anthroposophe Wagner

Bericht über einen denkwürdigen Abend

Der Titel kündigte es bereits an, die Verbindung von Heavy Metal à la Wagner und der anthroposophischen Tanzkunst würden schwerlich eine harmonische Beziehung eingehen. Warum das so ist, warum die rückwärtsgewandte Projektion der Lehre Rudolf Steiners auf das Denken und die Werke Richard Wagners zu falschen Ergebnissen führt und warum es dennoch nachvollziehbare Anknüpfungspunkte zwischen Wagner und Steiner gibt, dazu gab am Montag, den 06.12. 21, Prof. Dr. Dr. h.c.  Udo Bermbach im Saal des Warburg-Hauses hinreichend Auskunft – und zwar streng „wissenschaftlich-humorvoll“!

Es ist nicht ganz einfach in der hier gebotenen Kürze eine Darstellung der Bezüglichkeit zwischen Richard Wagners Denken und Werk einerseits und der Anthroposophie Rudolf Steiners andererseits darzustellen und dabei dem Vortrag von Prof. Dr. Bermbach gerecht zu werden, aber der Versuch  sei dennoch unternommen – nicht ohne die hier schon notwendige Entschuldigung für alle unzulässigen Verknappungen auszusprechen.

Steiners Blick auf Mensch, Sein und Welt ist ein ganzheitlicher, Wagners Anschauung durchaus verwandt, aber dennoch in einem wesentlichen Aspekt völlig unterschieden. Steiner beschreibt in naturwissenschaftlicher Diktion eine komplexe, transzendente Welt in mehreren Entwicklungsstufen, die gänzlich die Grenzen der Erfahrung und der sinnlichen erkennbaren Welt überschreitet, also ein transzendentes Sein jenseits der empirischen Welt unterstellt. Erstaunlich, stellt sich doch die Frage der intersubjektiven Nachprüfbarkeit des „Erschauten“. Der Schlüssel zur Antwort liegt in der Ganzheitlichkeit des Ansatzes, was als methodische Begründung, nicht aber als überzeugendes erkenntnistheoretisches Argument anzusehen ist.

Wagners Blick auf Mensch, Sein und Welt ist also ähnlich ganzheitlich, aber nicht transzendent, also nicht die sinnliche Welt überschreitend, sondern im kantischen Sinn eher „transzendental“, also eine Einheit von Mensch und Natur annehmend, die vor jeder subjektiven Erfahrung dem Sein innewohnt und die Erkenntnis des Gegenständlichen erst ermöglicht. Für Wagner ist die Ganzheitlichkeit des menschlichen Seins, das „Reinmenschliche“, quasi eine conditio humana, die zwar historisch verloren ging, aber durch die Zusammenführung der Künste in einer neuen Ästhetik, dem Gesamtkunstwerk, als Mittel der Rückführung wiedergewonnen werden könne.

Steiner will „Weltganzes“ im Übersinnlichen erkennen, Wagner durch sein „Gesamtkunstwerk“ dem Menschen dessen Ganzheitlichkeit zurückgewinnen. Das sind zwar vollkommen unterschiedliche Konzepte, aber in beiden existieren die Idee der Einheit von Mensch und Natur, der Überwindung des Egoismus und das Ziel einer Gesellschaftsform des „Liebeskommunismus“. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Wagner und Steiner ist die jeweilige Entwicklung einer eigenen Christologie. Für beide ist die Erscheinung Christi ein kulturhistorischer Einschnitt. Steiner deutet Christus als „Eingeweihten“ im Sinne seiner eigenen Weltanschauung, für Wagner steht der Kreuzestod Christi als „Tat christlicher Liebe“. Soweit zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden.

Die Analyse der Werke Richard Wagners aus dem Geiste der Anthroposophie ist dann aber keine Analyse, die vom Werk Wagners ausgeht, sondern der fragwürdige und wissenschaftlich nicht statthafte Versuch, Wagners Werke in der Analyse dem anthroposophischen Denken unterzuordnen. Das führt in praxi teilweise zu Lesarten der Werke, die mit Wagners eigenen ästhetischen, stofflichen und dramatischen Absichten wenig zu tun haben. In der Konsequenz hat die anthroposophische Exegese der Wagnerschen Werke nie Anschluss an den akademisch-geisteswissenschaftlichen Wagner-Diskurs gefunden. Und dennoch ist der „anthroposophe“ Wagner im Verständnis Rudolf Steiners im Übergang vom 19. Jahrhundert zum zwanzigsten kein intellektuelles Willkür-Produkt. Es eint beide das Bewußtsein vom Verlust der menschlichen Ganzheitlichkeit in einer immer industrieller und arbeitsteiliger werdenden kapitalistischen Gesellschaft, wenn auch die theoretischen Ansätze ihrer Wiedererlangung und das damit verbundene Weltbild gänzlich inkompatibel sind. Übrigens hat der ganzheitliche Blick auf die Einheit von Mensch und Natur in der Übergangsphase der Jahrhundertwende durchaus Konjunktur und stellt sich stark abgrenzend gegen die ansonsten herrschende positivistische Wissenschaftstheorie.

Mit seinem in diesem Jahr erschienenen Buch „Der anthroposophe Wagner“ Rudolf Steiner über Richard Wagner, Verlag Königshausen & Neumann, hat Prof. Dr. Dr. h.c. Udo Bermbach in Ergänzung zu seinen zahlreichen maßstabsetzenden Publikationen der letzten 20 Jahre einen bisher kaum beachteten Aspekt der Wagner-Rezeption aufgegriffen und wissenschaftlich zugänglich gemacht. Davon können diese Zeilen nur einen ansatzweisen Eindruck wiedergeben. Der Hörer seines Vortrags wird notwendigerweise zum Buch greifen wollen, dem Leser dieser kurzen Einführung sei es dringend empfohlen.

Im Anschluss an seinen Vortrag war es dem frisch gewählten, neuen Vorsitzenden des Richard Wagner-Verband Hamburg, Volker Wacker, und allen Anwesenden eine große Freude, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Bermbach zum Ehrenmitglied zu erklären, mit Überreichung von Urkunde und Gedenkmünze, so wie es sich gehört! Ein korrektiver Gedanke sei an dieser Stelle angefügt: tatsächlich ehrt Prof. Dr. Bermbach durch seine besondere Mitgliedschaft unseren Hamburger Wagner-Verband. Das macht uns ungeheuer stolz!

In seiner Dankesrede formulierte Prof. Dr. Dr. h.c. Bermbach einen Satz, den ich an dieser Stelle wegen seiner Außerordentlichkeit notwendig zu zitieren halte: „Die Begegnung mit dem Werk Richard Wagners in Mitwelt und Nachwelt ist das größte Bildungserlebnis meines Lebens“. Dieser Aussage kann sich der Verfasser dieser Zeilen und sicher ein großer Teil unserer Mitglieder unisono anschließen. Prof. Dr. Dr. h.c. Udo Bermbach ist nun unser Ehrenmitglied. Tu felix Wagner-Verband Hamburg!

Frank Sarnowski


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